Joos Sutter

„Wir wollen die Besten sein.“

Joos Sutter steht neu an der Spitze der Transgourmet-Gruppe. Im Interview erzählt der Schweizer, was er an den Mitarbeitenden schätzt. Er gibt einen Ausblick darauf, welche Themen ihm am Herzen liegen – und wie er den Ausgleich zur Arbeit schafft.

Herr Sutter, seit 1. Mai sind Sie der neue Verwaltungsratspräsident von Transgourmet. Was hat sich seither für Sie verändert? 
Joos Sutter
: Die Arbeit bei Transgourmet ist für mich nicht völlig neu, da ich in den letzten zehn Jahren schon als Mitglied des Verwaltungsrats viele Einblicke in die Gruppe hatte. Zurzeit statte ich jedem Transgourmet-Land einen Besuch ab. Dabei lerne ich viel über neue Projekte im Bereich der Beliefe-rung und der Abholung. Und vor allem habe ich die Gelegenheit, mich mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszutauschen. Die verschiedenen Länder mit den unterschiedlichen Kulturen, die Verschiedenheit der Märkte und unsere an den Markt angepassten Geschäftsmodelle sind faszinierend.

Wie sieht für Sie der Arbeitsalltag aus?
Zu Beginn sind die Tage jeweils ziemlich gleich, ich stehe früh auf und checke dann kurz die Zahlen vom Vortag. Ansonsten gestalten sich die Tage alle sehr unterschiedlich, viele Projektsitzungen, Meetings, Gespräche und Vorträge. Seit Neuestem bedeutend viel mehr Reisen. Aber vor allem – und das macht den Job so spannend – habe ich viel mit verschiedenen interessanten Menschen zu tun – ein Privileg.

Wie haben Sie sich auf Ihre neue Aufgabe vorbereitet?
Weiterentwicklung entsteht nie am Schreibtisch. Man versteht die Abläufe erst, wenn man sie sich selbst angeschaut hat. Deshalb besuche ich viele Standorte – vom Cash & Carry-Markt über Logistik-Center bis zu den Länderzentralen. Dabei rede ich mit vielen Mitarbeitenden, ob mit Lageristen, Verkäuferinnen und Verkäufern, Standortleiterinnen und leitern und selbstverständlich auch den Länder-CEOs. Und – klar! – habe ich mich viel mit Hansueli Loosli ausgetauscht, meinem Vorgänger. Von dessen Know-how konnte ich sehr profitieren.

Haben die Gespräche mit den Mitarbeitenden Einfluss auf Ihre Arbeit?
Viele Entscheidungen gehen auf solche Gespräche zurück. Oft müssen wir nur an kleinen Schräubchen drehen, um noch besser zu werden. Es sind nicht immer die großen strategischen „Würfe“, die den Unterschied machen.

Ist Transgourmet gut aufgestellt für die Zukunft? 
Ja! Das Wichtigste ist das Team. Mit guten Leuten kann man alles erreichen. Wir sind ein starkes Team, das sein Handwerk aus dem Effeff  kennt, unternehmerisch denkt und nahe am Markt ist. Das heißt aber nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Es gibt immer Potenzial für Veränderungen, um noch besser zu werden. Die Entwicklung hört nie auf.

Was schätzen Sie an den Menschen bei Transgourmet besonders?
Sie sind in der Lage, schnell und flexibel zu agieren. In der Corona-Epidemie haben wir gesehen, dass wir das können – dank direkter Kommunikation, einer flachen Hierarchie und dem Fokus auf die entsprechenden Kompetenzen. Das müssen wir beibehalten, um ein modernes und effizientes Unternehmen zu bleiben.

„Um die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu verstehen, müssen wir ihnen gut zuhören.“

Was ist die Stärke von Transgourmet?
Dass wir nur eine kleine, übergreifende Zentrale und in jedem Land jeweils eine gut funktionierende Organisation haben. Dort verfügen wir über länderspezifisches Knowhow und punkten mit darauf abgestimmten Strategien.

Und was gilt über alle Länder hinweg?
Klar ist, dass die Wertebasis gleich sein muss. Dazu zählt etwa, dass wir alle den respektvollen Umgang miteinander pflegen, die Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert hat und wir den Willen haben, unternehmerisch die Zukunft gestalten zu wollen.

Der derzeitige Fachkräftemangel beschäftigt auch Transgourmet ...
Ich bin überzeugt: Solange Transgourmet ein Unternehmen bleibt, das sich bewegt, Erfolg hat und Perspektiven für die Zukunft bietet, bleiben wir auch attraktiv auf dem Arbeitsmarkt. Wichtig dabei ist auch unsere Ausrichtung auf die Nachhaltigkeit – die Arbeit muss auch sinnvoll sein.

Die größten Herausforderungen?
Neben einer guten Mannschaft ist es zentral, neue Trends zu beobachten und aufzunehmen. Wie verändert sich die Gastronomie? Was gibt es Neues in den Küchen, in der Gemeinschaftsverpflegung, bei Essensgewohnheiten und Konsumtrends? Was sind die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden? Da müssen wir gut hinhören.

Spielt zum Beispiel vegane und vegetarische Ernährung eine Rolle?
Ganz gewiss. Ganz generell verzeichnen wir heute einen Trend hin zu gesünderer Ernährung und da spielt auch die vegane und vor allem die vegetarische Ernährung eine bedeutende Rolle.

Welche Trends sehen Sie weiter?
Grundsätzlich nimmt der Außer-Haus-Konsum zu. Das bedeutet, dass Transgourmet mit der Ausrichtung auf die Gastronomie sehr gute Perspektiven hat. Der große Fachkräftemangel ist stark in den Restaurants und den Großküchen angekommen. Mit neuen Services und einer gezielten Belieferung entlasten wir die Gastronomie in dem Sinne, dass weniger Arbeit in der Küche anfällt.

Was bedeutet dieser Trend hin zur Belieferung für Cash & Carry?
Grundsätzlich besteht diese Entwicklung, nur ist sie in den einzelnen Ländern unterschiedlich fortgeschritten. Das Bedürfnis, in einer Großfläche mit großer Sortimentsauswahl einzukaufen, ist sicherlich immer noch stark vorhanden. Nur müssen wir heute klar besser sein als die Mitbewerberinnen und Mitbewerber. Und schauen, dass wir Marktanteile gewinnen, denn dieser Markt wächst nicht. Und hier geht nichts über eine enge Beziehung zur Kundschaft – mit persönlicher Beratung und guten Tipps. Auch verstärken wir unseren Belieferungsservice in den Abholgroßmärkten. So hat die Kundschaft die Wahl, vor Ort einzukaufen oder eben auch, sich die Ware liefern zu lassen.

Die Kundschaft ist der Erfolgsfaktor?
Nur sie kann uns die Zukunft sichern. Wenn die Kundinnen und Kunden wissen, dass wir die Besten sind, dass sie gut betreut werden, dass sie alles bei uns bekommen, was sie brauchen – und das zu fairen Preisen –, dann steht uns nichts mehr im Wege.

Haben Sie langfristige Ziele?
Wir wollen wachsen. Wir wollen in den Ländern, in denen wir heute aktiv sind, Marktanteile gewinnen. Dies wollen wir auf einer gesunden wirtschaftlichen Basis und mit ansprechender Rendite tun. Wenn sich eine passende Gelegenheit für ein neues Land ergibt, schauen wir dies auch genau an.

Welches neue Land könnten Sie sich vorstellen?
Wichtig wird vor allem sein, dass ein Unternehmen zu uns passt und auch erfolgreich unterwegs ist.

In welchen Transgourmet-Sprachen können Sie sich verständigen?
Natürlich im Bündner Dialekt (lacht), da ich aus dem Kanton Graubünden stamme. Ich spreche Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und das alles mit einem starken Akzent (lacht erneut). Und Lluís Labairu (CEO von Transgourmet Ibérica, Anmerkung der Redaktion) hilft mir, meine bescheidenen Spanischkenntnisse ein bisschen aufzufrischen.

Waren Sie schon privat in einem der Länder unterwegs?
Ja, ich reise gerne, mich interessiert dabei vor allem die Natur, aber auch die Kulinarik. Ich bin definitiv mehr Landmensch als Stadtmensch.

Was ist Ihnen im Leben wichtig?
Meine Freizeit verbringe ich gerne mit der Familie und engen Freunden. Sogar zum Fischen gehe ich nicht allein, ich mag es, Erlebnisse zu teilen. Sie sehen: Ich mag die Gesellschaft und bin alles andere als ein Einzelgänger. 

Fischen ist ein Hobby?
Schon seit über vierzig Jahren gehe ich fischen, vor allem Fliegenfischen. Ich mag es, den Flüssen nachzugehen, die Natur zu beobachten, wieder und wieder die Rute neu auszuwerfen und in Bewegung zu sein. Dabei kann ich mich super entspannen. Nur an einem See zu sitzen oder am Meer zu liegen – das ist nichts für mich.

Sie sind also eher ein „Bergler“?
Ja, ich bin gerne in den Bergen. Ich gehe wandern und gerne auf Skitouren. Ich habe auch schon den einen oder anderen Berg bestiegen.

Welcher war der höchste?
Da muss ich nachdenken ... keine Rekordhöhe (lacht). Das war wahrscheinlich das Rheinwaldhorn, ein Gipfel an der Grenze zwischen den Kantonen Graubünden und Tessin, mit etwas über 3.400 Metern Höhe.

Ein technisch schwieriger Berg?
Das ist natürlich Ansichts- und auch Trainingssache: Ich fand ihn doch ziemlich herausfordernd.

Sie haben die Kulinarik erwähnt ...
Ja, ich gehe gerne essen. Mit meiner Frau besuche ich meistens am Freitagabend ein Restaurant. Dabei kann es auch mal einfach und herzhaft zugehen.

Was bringt Sie aus der Fassung?
Wenn man sich immer nur beklagt und nicht selbstständig nach Lösungen sucht. Oder wenn man nur den anderen oder den Umständen die Schuld gibt.

Zur Person

Joos Sutter ist in Thusis GR aufgewachsen. Seit 1996 hatte der Ökonom und diplomierte Wirtschaftsprüfer bei verschiedenen Formaten der Coop-Gruppe Leitungsfunktionen inne. Im Januar 2010 erfolgte der Ruf in die Geschäftsleitung der Coop-Gruppe, nur anderthalb Jahre später übernahm er dort den Vorsitz der Geschäftsleitung und in Personalunion die Leitung der Coop-Supermärkte. Dazu war er seit 2011 Mitglied im Verwaltungsrat von Transgourmet. Seit Mai 2021 ist er Präsident des Verwaltungsrats der Coop-Gruppe, der Bell Food Group, der Coop Mineraloel AG und seit 1. Mai dieses Jahres Präsident des Verwaltungsrats von Transgourmet.
Joos Sutter ist verheiratet und lebt in Bern. Mit seiner Frau hat er drei mittlerweile erwachsene Söhne.

TEXT: MARKUS KOHLER
FOTOS: KOSTAS MAROS