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„Man muss Menschen mögen“

Berufsbedingt werfen sie einen strengen Blick auf das Angebot in den Märkten: unsere Spezialistinnen und Spezialisten für gute Qualität. Die Beispiele aus vier Ländern machen deutlich, dass ihre Aufgabe eine andauernde Herausforderung ist.

Im Januar 2005 hob Hansueli Loosli Transgour met aus der Taufe und formte fast aus dem Nichts die europaweite Nummer 2 im Abhol- und Belieferungshandel. Ende April 2023 tritt er ab. Im Interview blickt er auf 18 erfolgreiche Jahre zurück – und verrät seinen Schlüssel des Erfolgs. 

Herr Loosli, nach fast zwei Jahrzehnten haben Sie sich entschlossen, als Transgourmet-Präsident zurückzutreten. Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen?
Hansueli Loosli: Der Verstand wusste immer, dass ein solcher Punkt kommen würde; für das Herz ist es etwas schwerer, dies nachzuvollziehen. Es ist ein bisschen so, wie wenn man als Elternteil merkt, dass sein Kind auf eigenen Beinen stehen kann. Einerseits erfüllt einen das mit Stolz, andererseits empfindet man dabei auch Wehmut. 

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Menschen sind Hansueli Loosli wichtig – er pflegt mit Mitarbeitenden, Partnern und Lieferanten einen engen Kontakt.

Mit Transgourmet haben Sie die europaweite Nummer 2 im Abhol- und Belieferungsgroßhandel aufgezogen. Die größten Herausforderungen?

Von Anfang an hatte ich die Vision, dass die Coop-Gruppe in der Zukunft auf zwei Beinen stehen sollte – einerseits waren da das starke Retail- und das Produktionsgeschäft in der Schweiz, andererseits wollten wir den Gastronomiegroßhandel als zweites Bein aufbauen. Begonnen haben wir mit Aldis Service plus in Frankreich, aus dem mit eigenem und zugekauftem Wachstum die heutige Transgourmet France entstanden ist. Und mit Prodega und Howeg in der Schweiz, die wir später zu Transgourmet Schweiz zusammenführten. Nach und nach kamen weitere Familienmitglieder dazu. Diese alle unter einen Hut zu bekommen, war herausfordernd. Das Gute: Ich konnte dabei immer auf die besten Leute zählen, die hinter allen Entscheidungen standen und diese umgesetzt haben. Das hat mich immer sehr beeindruckt.

Was hat Ihnen über all die Jahre am meisten Freude bereitet?
Man muss Menschen mögen – das habe ich einmal gesagt und es gilt nach wie vor. Ich habe mit unterschiedlichen Menschen in ganz Europa zu tun. Jedes Land hat eigene Werte, eine eigene Kultur, und vor allem auch eine eigene Kundenstruktur – das ist spannend. Eine Balance zwischen den Freiheiten der Ländergesellschaften und den gesamtunternehmerischen Zielen mit den CEOs der Länder zu fi nden, hat mich zudem immer fasziniert. Und es sind viele echte Freundschaften entstanden, die sicher bestehen bleiben.

Wie hat sich grundsätzlich das Geschäft über die Jahre verändert?
Ein Beispiel aus dem Food Service: Am Anfang dachten wir, dass wir reine Warenlieferanten sind und ein großer Kunde einfacher wäre als viele kleinere. Das würde ich heute nicht mehr unterschreiben. Im Laufe der Zeit übernahmen die ganz großen Gastro-Player selbst den Einkauf und brauchten uns nur noch als Transporteur. Das allein sind wir aber nicht. Wir bieten Waren und Dienstleistungen. Daher sind Kunden, die beides beziehen wollen, unsere hauptsächliche Zielgruppe. Gemeinsam mit ihnen haben wir unser Angebot laufend erweitert – und das machte uns wiederum für weitere Kunden interessant.

Ein zweites Beispiel?
Ein Spital oder ein Altersheim gibt uns seine Kalorienzahlen, Unverträglichkeiten und weitere Anforderungen an. Wir gestalten die Menüplanung und liefern ihm all die Ware, die es dazu braucht. Die vielen digitalen Wege machen die Prozesse dazu viel einfacher und schneller für unsere Kunden. Sie sehen: Dienstleistung und Vollsortiment spielen eine immer wichtigere Rolle.

Dienstleistung heißt, den Kunden gewisse Arbeiten abzunehmen?
Vielen Gastro-Betrieben fehlt seit der Pandemie das Personal. Mit unserer Idee der Smart Cuisine bereiten wir die Ware vor, zum Beispiel liefern wir schon gewaschenes und geschnittenes Gemüse – das spart dem Kunden Zeit und Geld. Oder wir bieten vorgekochte Gerichte an, bei denen der Kunde nur noch das Finishing übernimmt. Die Grenzen zwischen vor Ort gekochten Gerichten und Convenience
verschwimmen auch in der Gastronomie immer mehr. Dafür sind wir parat.
 

„Wir haben nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern die Zeit genutzt.“

Hansueli Loosli, Verwaltungsratpräsident von Transgourmet


Zurück zum Tagesgeschäft: Wie lief das Jahr 2022?
Es war ein sehr gutes Jahr. In ausnahmslos jedem Land haben wir beim Umsatz Top-Ergebnisse erzielt. Natürlich spielte nebst Mengenwachstum auch die Inflation eine Rolle. Auf der anderen Seite war es kein einfacher Entscheid, Selgros Russland wegzugeben. 

Wie kommt es zum guten Ergebnis?
Wir steckten während der Pandemie nicht den Kopf in den Sand, sondern nutzen die Zeit. Wir konnten neue Kunden, die plötzlich Zeit hatten, von uns und unseren Dienstleistungen überzeugen. Wir bauten das Natura-Sortiment auf und aus, was von den Märkten gut aufgenommen wurde. Und wir schauten unsere Abläufe an und optimierten sie. Das alles führte dazu, dass wir über dem bisherigen Rekordjahr 2019 liegen werden. Allen, die dazu beigetragen haben – vor allem denjenigen an vorderster Front –, möchte ich ein Kompliment machen: eine geniale Leistung!

Was waren Ihre Höhepunkte des letzten Jahres?
Erstens zu sehen, wie wir aus der Covid-Zeit erstarkt hervorgingen. Zweitens freut es mich sehr, wie gut und wie unglaublich schnell sich Transgourmet Ibérica integriert hat – die Leute dort haben sofort verstanden, welche Vorteile sie durch die Übernahme bekommen. Drittens sind in vielen Ländern Großprojekte in Planung oder in Umsetzung: etwa ein neues Food-Service-Lager im polnischen Gleiwitz. Oder in Österreich: Hier bauen wir ebenfalls weiter aus – und das gleich an verschiedenen Standorten. Nach dem Erwerb von Riedhart haben wir nun auch einen Fuß im Bundesland Tirol. In Frankreich möchten wir weitere Verteilzentralen wie im Süden des Landes und im Großraum Paris bauen. Und in Deutschland und der Schweiz realisieren wir Verbesserungen bei den Lagerstrukturen. 

Apropos Tirol: Wie kommen Sie solchen Glücksfällen auf die Spur?
Durch engen Kontakt mit unseren Führungsverantwortlichen. Ich reise viel, um mit den Leuten vor Ort über die Märkte zu reden und zu lernen, wie sie funktionieren. Man muss Kontakte pflegen und gute Beziehungen zu möglichen Partnern oder potenziellen „Familienmitgliedern“ halten. Und wenn sich eine Chance bietet, auch zugreifen.

Gibt es noch weiße Flecken auf der Transgourmet-Landkarte?
Seit Langem schauen wir auf Gelegenheiten in Italien und Portugal. Beide Länder würden gut zu unserem Portfolio passen. Auch Kroatien ist wegen des wachsenden Tourismus interessant. 

Wie ist es mit organischem Wachstum?
Hier liegt unser größtes Potenzial. In den besten Ländern haben wir Marktanteile von 20 bis 25 Prozent, in manchen Ländern weniger. Da gibt es noch riesige Möglichkeiten, gerade weil wir ein Vollsortiment – also Frische-, Tief-kühl- und Trockenprodukte – und auf den Kunden zugeschnittene Dienstleistungen anbieten. Und weil wir von Transgourmet sowohl Cash & Carry sowie den Foodservice wirklich verstehen, sind wir nicht einfach zu kopieren.

Wird es in zehn Jahren noch Abholmärkte geben? Diese verlieren Anteile an den Belieferungsservice, bei dem die Kunden online bestellen.
Es wird immer Abholmärkte geben. Weil es immer Kunden gibt, die die Ware selber aussuchen möchten. Klar ist, dass die Verkaufsfl ächen nicht mehr 10.000 m2 groß sein werden. Das Gebäude an sich wird diese Fläche haben, davon sind dann vielleicht 4.000 m2 Verkaufsfl äche und 6.000 m2 Lagerfläche für die Belieferung.

In Sachen Nachhaltigkeit sind erste Schritte gemacht ...  
Nicht überall stehen diesbezüglich die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung. Deswegen haben wir für jedes Land Ziele erarbeitet und Maßnahmen definiert. Für diese Nachhaltigkeitsprojekte investieren wir in den nächsten fünf Jahren zusätzlich zu den Um- und Neubaubudgets 80 Millionen Franken 
– sei es im Bereich Sortimente, CO2-Reduktion oder der Energiegewinnung.

Was ist der Schlüssel zum Erfolg von Transgourmet? 
Dass wir der Kundschaft faire Preise und zusätzlichen Nutzen verschaff en. Wir bieten nicht nur die nackte Ware, sondern zahlreiche für den Kunden wichtige Dienstleistungen. So können diese zum Beispiel  das Sortiment aktiv mitgestalten oder online bestellen, erhalten Unterstützung bei der Menüplanung oder verursachen durch unsere cleveren Lösungen weniger Food Waste. Die Palette an diesen Dienstleistungen ist groß. Außerdem stammen viele unserer Mitarbeitenden auch aus der Gastronomie und verstehen die Bedürfnisse ihrer Kundschaft bis ins Detail. All das macht den Unterschied.

Wie geht es für Sie weiter ab Mai?
Ich bleibe sicher Verwaltungsratspräsident bei den Pilatus-Flugzeugwerken in Stans NW, einem wachsenden internationalen Unternehmen, wo es noch einiges zu tun gibt. Zudem habe ich noch andere Verwaltungsratsmandate, und es kommen weitere spannende Projekte dazu, die noch nicht spruchreif sind.

Und privat?
Ich werde mehr Zeit finden für all die Dinge, für die ich in den letzten 30 Jahren keine Muße hatte. Zum Beispiel habe ich ein Pferd, das ich vermehrt ausreiten möchte.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?
Dass er es schafft, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen – ich bin überzeugt, dass Joos Sutter dies auch gelingen wird. Die Mitarbeitenden heißen ihn jedenfalls mit offenen Armen willkommen.